Bilder und Story Martin Sammet
Seit 4 Jahren bauten Jogi und ich jetzt schon für uns selbst und einen kleinen ausgewählten Kreis von Freunden Pogo Snowboards. Unser Produktionstechnikstudium neigte sich dem Ende zu, und durch verschiedene Praktika sowie Studienarbeiten hatten wir uns ausgiebig mit der Fertigung hochwertiger Snowboards auseinandergesetzt. Ausserdem hatten wir soeben unsere gemeinsame Diplomarbeit mit dem Thema „Kantenausreissfestigkeit bei Snowboards und Monoski“ bei unserem lieben Professor Gohl abgegeben. Vielen Dank an ihn, dass er uns über ein damals sehr exotisches Thema unseren Ingenieurabschluß schreiben liess! Es war ein Kooperationsprojekt der Schweizer Firma Nidecker und Duret Ski in Frankreich. Nidecker baute damals am Genfer See neben Tischtennisplatten, Leitern und Segellatten, die technisch und shapemäßig ausgereiftesten Boards der Welt, unter anderem für Hooger Booger und extrem coole Monoski für Bebop aus Chamonix.
Martin beim Testen des von ihm für Nidecker entwickelten shapes Lipstick
Bei Nidecker wurde uns damals zugetragen, dass in Wangen im Allgäu das alteingesessene Unternehmen Sohler seine Skiproduktionsmaschinen verkaufen würde, da es sich auf die Kernsparte Lüftungsanlagen konzentrieren wollte. Flugs nahmen wir den Nidecker Firmenwagen und gingen unter dem Vorwand „Snowboardtrip“ auf Besichtigungstour. Wir fanden dort exakt was wir brauchen würden, um, in etwas größerem Stil als bisher, hochwertige Snowboards zu produzieren. Das ganze für einen Apfel und 2 Eier. Damit stand für uns letztendlich der Entschluß, uns direkt aus dem Studium heraus selbstständig zu machen, um nicht für Audi irgendwelche Stoßdämpfer oder Montageroboter entwickeln zu müssen.
Die Anfänge von Pogo
So eine mächtige Entscheidung mußte natürlich adäquat gewürdigt werden! Ausserdem wollten wir uns noch einen richtig verrückten Trip gönnen, bevor wir uns restlos in die Maloche stürzen würden. Jede Menge Arbeit lag vor uns. Die 400 Jahre alte Scheune meiner Eltern sollte in eine geile Produktionsstätte verwandelt werden und die Maschinen bei Sohler warteten auf Abholung und Umbau in schicke Snowboardbaugerätschaften.
Wir versetzten also den Globus in Rotation und unser Finger blieb in Südamerika, genauer gesagt Peru, stecken. Klar gabs dort Berge, richtig fette sogar, genannt Cordillera Blanca. Ausserdem war dort gerade Winter, da wir den Äquator überqueren würden. Der höchste Berg dort hiess Huascaran, war läppische 6890m hoch und natürlich noch nie mit dem Snowboard befahren. Wer würde auch schon auf so eine verrückte Idee kommen? Das klang nach einer guten Story um unsere Marke Pogo ins Gespräch zu bringen. Extraleichte Tourenboards in Titanalkonstruktion hatten wir uns eben erst gebaut.
Wir fanden einen hammergünstigen Gabelflug nach Caracas/ Venezuela mit Rückflug von La Paz in Bolivien. Warum nicht eine kleine Busreise durch Kolumbien und Ecuador?
Wir packten unsere Rucksäcke mit dem nötigsten: Zelt, Schlafsäcke, Snowboards und ein paar Klamotten. Die restliche alpine Ausrüstung wollten wir uns vor Ort in Huaraz leihen. Warme Alpaca Wollpullis, Mützen usw gabs sicher auf einem lokalen Markt zu kaufen.
Kaum in Caracas gelandet, ging das Abenteuer auch schon los. Wir schlossen uns für kleines Geld einer kleinen Gruppe indianisch aussehender Locals an, die einen Bustransfer Richtung Kolumbien organisiert hatten. Dummerweise ging es über irgendwelche Schleichwege über die Grenze, so dass wir keinen Einreisestempel in den Pass gedrückt bekamen, das sollte sich später rächen.
Kolumbien war damals ein richtig wildes Land. In regelmäßigen Abständen gab es Strassensperren der Armee, die versuchte, die Drogenmafia in den Griff zu bekommen. Mehrmals hörten wir des Nachts Schüsse, es fühlte sich an, als würde auf den Bus geschossen.
Bei einer der Armeekontrollen inspizierte so ein Unteroffizier meine vom langjährigen selbstgedrehte Van Nelle Rauchen gelb gefärbten Finger. Er ließ uns mitten in der Pampa aus dem Bus aussteigen und schickte diesen weg. Er meinte, wir hätten Ganja dabei, und wenn wir nicht 50$ abdrücken würden, kämen wir in den Knast. 50$ waren für uns damals eine Menge Moos, welches wir lieber in unsere junge Firma investieren wollten. Wir schalteten also auf stur, da wir uns auch keiner Schuld bewusst waren. Im Endeffekt verstanden wir uns mit den jungen Soldaten, die schnell kapierten, dass bei uns nicht viel zu holen war, sehr gut. Sie luden uns auf eine Runde Cervezas ein und erzählten ein bißchen aus ihrem Alltag. Dann fuhren sie uns in die nächste Stadt, wo wir uns auch gleich den nächsten Bus Richtung Ecuador schnappten.
Beim Überqueren der Grenze nach Ecuador kam jetzt der fehlende Stempel ins Spiel. Ohne Einreisestempel auch keine Ausreise, war der knallharte Standpunkt der Grenzbeamten, nix zu machen. Abends beim Bier lernten wir dann einen Typen kennen. Er meinte, sein Cousin arbeite beim Zoll und könnte für 20 $ unser Problem lösen. Damit unsere Reise weitergehen konnte, zogen wir dann diese Option.
Ecuador ist ein fantastisches Land mit hohen Bergen, von denen uns vielversprechende weiße Gipfel wie der 6310m hohe Chimborazo entgegenlachten. Der Gipfel des Chimborazo ist der vom Erdmittelpunkt am weitesten entfernte Punkt der Erdoberfläche. Wir trugen diesen dann auch direkt in unsere Liste zukünftiger Projekte ein.
Der Anteil der indigenen Bevölkerung ist in Ecuador sehr hoch. Wir sahen überall fröhliche, lachende Gesichter einfacher Menschen, die praktisch nichts besitzen Das Essen war ganz simpel und praktisch umsonst. Aber wie lecker können gebratene Kartoffeln mit hausgemachter Chilisauce sein.
Jogi stopping the unknown soldier
Angekommen in Peru legten wir erst einmal ein paar chillige Tage am Strand ein. Beim lokalen Schreiner sägten wir für jeden von uns aus einer Sperrholzplatte ein Skimboard aus und hatten jede Menge Spaß im steilen Shorebreak. Als wir dann weiter zogen schenkten wir die Boards den Kids, die mit uns jeden gelungenen Ride gefeiert hatten, und die während unserer Pausen die Boards und ihre Knochen schon kräftig geschreddet hatten.
Die Kids liebten unsere Skimboards
Dann ging es direkt los Richtung Cordillera Blanca, deren alpines Zentrum Huaraz ist. Auf dem lokalen Indianermarkt besorgten wir uns warme Klamotten aus Alpakawolle, sowie jede Menge Nüsse und getrocknete Früchte. Außerdem getrocknete Cocablätter, da wir gehört hatten, dass die Indianer diese zur Steigerung der Ausdauer bei langen Märschen in den Bergen kauten. In einem Klettershop erkundigten wir uns über die Bedingungen, sowie das Wetter der kommenden Tage, liehen uns Steigeisen, Seil, Eispickel, ein paar Eisschrauben, Klettergurte und was man sonst so für ein alpines Unternehmen braucht.
The local market in Huaraz
Da der Wetterbericht perfekt war, wollten wir auch keine weitere Zeit verschwenden und setzten uns direkt in ein Taxi colectivo nach Musho, dem Ausgangspunkt unserer Tour auf 3000m Höhe.
Der freundliche Hüttenwirt versorgte uns mit dem für eine Weile letzten richtig herzhaften Abendessen und Frühstück mit Huevos und Frijoles und los ging die Wanderung. Wir folgten allen möglichen Wegweisern und Pfaden, um dann am Spätnachmittag feststellen zu müssen, dass wir uns hoffnungslos verlaufen hatten.
Starting to hike and fighting altitude sickness
Mitten in der Pampa fanden wir eine einfache Hütte einer Indianerfamilie. Sie boten uns Tee an und luden uns zu einem einfachen Essen ein. Es gab sogar einen Unterschlupf, wo wir unsere Schlafsäcke ausbreiten konnten, so mussten wir unser Zelt nicht aufbauen. Am nächsten Tag brachte uns das Familienoberhaupt auf den richtigen Weg. Das war eine so herzliche Gastfreundschaft von Menschen die praktisch nichts besaßen und sich untereinander auf Ketschua unterhielten.
Endlich auf dem richtigen Weg ging es steil bergauf. Jogi begann die Höhe schon deutlich zu spüren und versuchte die Anzeichen mit vermehrtem Kauen von Kokablättern zu kompensieren. Die durch die Snowboards und die ganze alpine Ausrüstung doch recht schweren Rucksäcke machten vor allem in der Mittagshitze ordentlich Mühe.
Gerade rechtzeitig um noch vor Dunkelheit das Zelt aufbauen zu können erreichen wir den ersten Campspot auf 4100 Meter Höhe. Eine Gruppe mexikanischer Bergsteiger hatte sich schon gemütlich eingerichtet. Sie hatten die relaxtere Option gewählt und das Gepäck von Eseln bis zum ersten Camp transportieren lassen. Wir hielten uns das für den Rückweg offen.
Sie luden uns zum Tee ein und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut, vor allem mit dem hübschen Expeditionsmitglied Maria.
Erstes Camp
Am nächsten Tag ging es weiter in steileres und alpineres Gelände. Maria zog es vor, ein Stück mit uns zu laufen, während ihre Kollegen eine strammere Marschart einschlugen. Jogi spürte immer stärker die Höhe und wir hatten uns noch nicht an das schwere Gepäck gewöhnt. Als wir dann bei Anbruch der Dämmerung an einem Campplatz ankamen, aber keine Spur von Marias Freunden sahen, machten wir uns schon ein bisschen Sorgen.
Am nächsten Tag erreichen wir am späten Morgen den Gletscher. Aber was für ein Anblick, Gletscherspalten soweit das Auge reichte, und keine Spur von einem gangbaren Weg. Wir schauen uns unsere Karte etwas genauer an, und kamen zu der Einsicht, dass wir einem alten Weg gefolgt waren, der nicht mehr gangbar war. Schon wieder verlaufen, was für ein Mist! Der einzige Vorteil an der Geschichte war, daß es Jogi, dem die Höhenkrankheit sehr zu schaffen machte, mit jedem Schritt bergab wieder besser ging.
Der alte Trail
Wir fanden dann auch recht schnell die Stelle, an der wir falsch abgebogen waren. Wir waren wohl zu sehr damit beschäftigt, die unglaubliche Aussicht zu bewundern. Wir drückten jetzt etwas aufs Gas und erreichten noch am späten Nachmittag das Camp am Fuße des Gletschers auf 5200 Meter Höhe. Neben dem Camp gabs ein paar schöne kleine Powderfelder. So schnallten wir erst mal die Snowboards an und zogen ein paar Lines.
Powder
Am nächsten Tag gings weiter zum Basecamp für den Gipfelanstieg, das sich auf 5900m Höhe befand. Dort trafen wir auch Marias Freunde wieder, die soeben erschöpft aber glücklich vom Gipfel zurückgekommen waren. Maria wollte natürlich mit uns den Gipfel erreichen. Ihre Freunde versorgten uns noch mit Verpflegung und Gaskartuschen für den Kocher, die wir vor allem auch zum Wasser schmelzen brauchten. Auch unsere Essensvorräte waren recht knapp kalkuliert gewesen. Wir hatten sicher schon einige Kilos verloren und begannen von gebratenen Hähnchen und frisch gepresstem Orangensaft zu phantasieren. Dass wir uns zweimal verlaufen hatten war da auch nicht gerade hilfreich.
Während des Zeltaufbaus kam ein ziemlich kräftiger Wind auf, was die Sache nicht gerade vereinfachte. Dummerweise wurde meine Isomatte, die nur mit einem Eisbrocken beschwert dalag, vom Wind erfasst und direkt in eine riesige Gletscherspalte reingeweht. Keine Chance da je wieder ranzukommen.
Zum Glück war die Nacht kurz, da wir uns schon um 3 Uhr morgens in Richtung Gipfel aufmachen wollten. an Schlaf war auf dem harten kalten Eis für mich nicht zu denken. Das Aufstehen mitten in der Nacht war eine Erlösung. Eine Tasse heißen Tee und ein paar Nüsse für jeden und es ging im Licht der Stirnlampe los. Von jetzt an bewegten wir uns nur noch angeseilt, da einige Gletscherspalten, Brücken und Steilstücke zu überwinden waren. Das Licht und die Aussicht, als in der Morgendämmerung die Sonne aufging, waren der reine Wahnsinn.
Die Luft wurde allerdings mit jedem Schritt dünner, immer öfter gab's den typischen Ruck am Seil, wenn wieder jemand der Hinterleute eine Pause brauchte. Zum Glück hatten wir am Abend davor noch ordentlich Wasser geschmolzen. Bei der Anstrengung und der Höhe schien der Körper nicht genug davon bekommen zu können. Maria hatte es gut, sie musste wenigstens kein Snowboard mit hochschleppen. Wir mussten auch höllisch aufpassen, dass der Wind uns bei den Eisklettereien nicht aus der Balance brachte, die Boards boten jede Menge Angriffsfläche.
Das letzte Stück vor dem Gipfel zog sich endlos hin. Es war zwar nicht mehr ganz so steil, aber jeder Schritt wog schwer wie Blei. Dann hatten wir es geschafft, legten die zentnerschweren Rucksäcke ab und liessen uns daraufallen. Wir hatten das Gefühl, dem Himmel ein Stück näher zu sein. Ein paar schwere dunkelgrau violette Wolken hingen direkt über unseren Köpfen.
Jetzt die Boards anschnallen und mit ein paar riesigen Turns wieder nach unten, dachten wir uns. So einfach ging es jedoch leider nicht. Der Schnee war mega schwierig, ein Wechsel von hartem, zerfurchtem Eis mit Unmengen gefrorener Bollen. Nach 20 Minuten vorsichtigem hinabtasten, immer den Eispickel in der Hand, bereit ihn als Bremse zu benutzen falls die Kante im steilen Gelände mal nicht halten sollte. Dann kam endlich ein größeres südlich orientiertes Stück, wo der Schnee schön aufgefirnt war und wir das Boarden richtig genießen konnten. Als die Fahrt zu Ende war, warteten wir auf Maria, die denselben Weg, den wir aufgestiegen waren zurückging.
Inzwischen war die Sonne so stark, dass es heiß war wie in der Wüste. Wir machten uns etwas Sorgen, dass der Schnee der Gletscherbrücken zu weich sein würde, um gefahrlos darüber zu gehen. Aber es ging alles gut, wir wollten jetzt nur noch vom Berg runter um mal wieder etwas Richtiges zu essen und richtig zu schlafen. So wurde beschlossen das Lager gleich abzubrechen und bis zum ersten Lager runter zu rennen. Allein vom daran denken bekomme ich direkt wieder blaue Zehen. Dann noch eine Nacht im Zelt auf dem harten Boden und wir schnallten unser Gepäck auf Eselsrücken und flogen hinunter ins Tal.
Was für ein Festschmaus wir unseren Mägen zumuteten,die inzwischen auf Nussgröße geschrumpft waren. Bier, Hähnchen, Pommes, Eier, Käse, wir stopfen uns voll als gäbs kein Morgen mehr. Als wir in einen Spiegel sahen, stellten wir entsetzt fest, dass unsere Gesichtshaut um ca 50 Jahre gealtert war. Bei unserem Anstieg zum Gipfel hatten wir vergessen Sonnencreme aufzutragen, da wir die Sonne irgendwie nie zu Gesicht bekamen. Zurück in Huaraz gingen wir mit Marias Freunden noch mal richtig feiern.
Am nächsten Tag nahmen wir den Bus nach Cusco. Wir wollten noch die alte Inkastadt Machu Picchu sehen.
Den Trail dorthin zu wandern war leider mit unseren zerschundenen Füßen nicht denkbar. Also mischten wir uns unter das Touristenvolk und nahmen den Zug.
Machu Picchu
Ein unvergessliches Erlebnis war da noch die Zugreise auf knapp 4000m Höhe am tiefblauen Titicacasee, dem Ursprungsgebiet der Inkakultur und des Kartoffelanbaus vorbei. Dann über die Altiplano Hochebene nach La Paz in Bolivien, von wo unser Flieger nach Hause ging. Im Zug waren fast nur indianische Gesichter, sowie Schafe, Hühner und alles mögliche Getier. Alles wurde geteilt und wir bekamen Käse angeboten, der so salzig war, daß Jogi heute noch bleich wird, wenn er daran denkt, dass er den wirklich gegessen hat.
Titicacasee
© Pogo Snowboards | Realisierung gravima.de
Kommentare (10)
FlGPoDINROZyY rZQJVAhYUgxdkGO 2024-04-01 18:02:58
TCcEFdVKFlGPoDINROZyY rZQJVAhYUgxdkGO 2024-04-01 18:02:57
TCcEFdVKePKoWMBZQY JLtZewHDf 2024-03-30 10:33:41
QgMCNRXHPojGTrePKoWMBZQY JLtZewHDf 2024-03-30 10:33:40
QgMCNRXHPojGTrzXfFonrBaTG qyYSBCktQx 2024-03-15 10:58:04
hqabmvQkZzXfFonrBaTG qyYSBCktQx 2024-03-15 10:57:57
hqabmvQkZnwYEioVPMDfR tcKgMSzyjmHLdTpW 2024-02-28 23:39:32
UWYwZSNiEFGnwYEioVPMDfR tcKgMSzyjmHLdTpW 2024-02-28 23:39:30
UWYwZSNiEFGVCDczXpB tvyMSVLNmPfhA 2024-02-15 08:45:23
YDevjBMKCprZVCDczXpB tvyMSVLNmPfhA 2024-02-15 08:45:21
YDevjBMKCprZ